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Volker Durben
created: 13.09.01
last update: 13.09.01

 Schlacht bei Durben

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Aus der Frühgeschichte bis zum Zusammenbruch des polnisch-litauischen Doppelreiches

Um 2000 v. Chr. wanderten von Süden kommend baltische Völker (die Vorfahren der Letten und Litauer) in das Siedlungsgebiet der finn-ugrischen Völker ein und drängten diese allmählich zurück.(Ludwig, 1991, 15f.)

Da mit der Herkunft eines Volkes auch immer die von ihm gesprochene Sprache im Zusammenhang steht, soll an dieser Stelle kurz auf die Sprachzugehörigkeit der Litauer eingegangen werden. Die baltischen Völker werden, so Ludwig, als eigenständiger Zweig zur indoeuropäischen Sprachfamilie gezählt. Ihr genauer Ursprung ist unklar. Da das Litauische von allen indoeuropäischen Sprachen am stärksten mit dem Sanskrit verwandt ist, gehen manche Theorien davon aus, daß die Balten unmittelbar aus dem Punjab-Gebiet in Nordindien stammen könnten.(Ludwig, 1991, 15-17) Hellmann geht etwas genauer auf die Entwicklung der litauischen Sprache ein. Die litauische Sprache, die in einige Mundarten aufgespalten ist, bildet zusammen mit der lettischen Sprache und der Sprache der Prußen[1] die sog. baltische Sprachengruppe innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie. Das Litauische und das Prußische, das nur in wenigen Sprachresten erhalten ist, sind Schwestersprachen, wohingegen das moderne Lettisch erst später entstanden ist. Umstritten ist, ob die baltischen Sprachen mit dem Urslavischen eine gemeinsame Sprachperiode durchlaufen haben. Gesichert hingegen ist, daß das baltische Sprachgebiet einst bis an die obere Oka und die Wolga reichte und später aufgrund des vorrückenden Ostslaventums kleiner wurde. Zu einer literarischen Hochsprache ist das Litauische erst im Laufe des 19. Jahrhunderts geworden.(Hellmann, 1966, 11f.)

Mit der Ausbreitung der baltischen Völker setzte sich der Ackerbau immer stärker durch. Die Balten sicherten sich außerdem als Händler einen gewissen materiellen Wohlstand. Verschiedene Handelsrouten entlang der Flüsse, z.B. ans Schwarze Meer, nach Griechenland und Italien entstanden. Um das Jahr 1000 v. Chr. drangen weitere baltische Völker in das Gebiet ein. Größere Befestigungen entstanden. Ca. 300 Jahre später begann die Eisenzeit in Europa, die durch die Hallstatt-Kultur geprägt war. Mit dem Baltikum herrschte ein reger Handelsverkehr. Zur Zeit der Ausbreitung des Römerreiches verstärkte sich der baltische Handel mit den europäischen Großmächten noch. Aufgrund des wirtschaftlichen Reichtums wuchs die Bevölkerung, und die Balten besiedelten das Gebiet zwischen Ostsee und Wolgaraum.(Ludwig, 1991, 17-20) In der zweiten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. kam es zu einer großen Völkerwanderung, von deren Ausläufern etwas später auch das Baltikum betroffen war. Als im 6. Jh. ostslavische und skandinavische Völker germanischer Herkunft ins Baltikum eindrangen, endete die friedliche Expansion der baltischen Völker. Zu Beginn des 8. Jh. waren die Balten der norwegischen Krone tributpflichtig. Eine unmittelbare Unterwerfung konnten sie jedoch abwehren. In den folgenden Jahrzehnten mußten sich die Balten vermehrt gegen eindringende Wikinger zur Wehr setzen. Diese errichteten an der baltischen Küste mehrere Stützpunkte, die meisten in Kurland (Kurzeme, Bukss, 1964, 8), das den Süden des heutigen Lettland und den Norden Litauens umfaßt. 854 fiel das dänische, danach das schwedische Heer in Kurland ein. Die Kuren behaupteten sich jedoch gegen die Eindringlinge. Die Wikinger hinterließen im Baltikum insgesamt keine direkten Spuren, ihre Anwesenheit führte jedoch zu tiefgreifenden Veränderungen in den sozialen Strukturen der Balten. Soziale Hierarchien (Kriegsherren, Fürsten etc.) entstanden, die ihren Einfluß auch in Friedenszeiten geltend machten und im Laufe der Zeit ihren Besitz nach außen hin durch das Ziehen fester Grenzen sicherten.(Ludwig, 1991, 20+29-31)

Im Osten des baltischen Siedlungsgebietes entstand eine neue Großmacht, die Kiewer Rus'. Die Kontakte mit den Slaven hatten Auswirkungen auf die weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Baltikum. Durch verbesserte landwirtschaftliche Geräte stiegen die Erträge, die Bauern gingen zu selektiver Viehzucht über, das Geldsystem wurde eingeführt, und die Balten betrieben einen florierenden Handel. Am meisten profitierten die litauischen Fürsten von dieser Entwicklung. Sie unternahmen Beutezüge und nahmen Menschen gefangen, die als Leibeigene in der litauischen Landwirtschaft dienen mußten. Ein feudales System entstand.(Ludwig, 1991, 32)

Die erste Erwähnung finden die Litauer als "Litua" in den Quedlinburger Annalen aus dem Jahre 1008. Sie steht im Zusammenhang mit der Christianisierung, die am Ende des 14. Jahrhunderts den Litauern das römische Christentum brachte.(v. Pistohlkors, 1991, 11f.) Die Litauer waren damit der letzte heidnische Staat Europas, der christianisiert wurde.(Kibelka, 1991, 12). Noch in den Jahren 997 und 1007 hatten die südbaltischen Pruzzen (Prußen) polnische Missionare erfolgreich zurückgedrängt. Im Jahre 1180 folgte die sog. Aufseglung der baltischen Ostseeküste durch deutsche Händler und Missionare.(Ludwig, 1991, 157) Die beiden Hauptstämme, die Litauer (Litwa), d.h. die Aukschtaiten (Hochlitauer), und die Schemaiten (Niederlitauer) werden in der sog. Nestorchronik erwähnt, die vor 1116 im Kiewer Höhlenkloster entstand. Litauer und Schemaiten werden dort nicht nur getrennt aufgeführt, sondern es wird ebenfalls erwähnt, daß sie dem Kiewer Großfürsten gegenüber tributpflichtig waren. Lt. Hellmann kann dies nur für die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts zutreffen, da die Litauer Ende des 12. Jahrhunderts "der Schrecken aller ihrer Nachbarn" waren.(Hellmann, 1966, 15)

Als Gründer des litauischen Staates wird Mindaugas betrachtet.(Hurwicz, 1927, 63) Fürst Mindaugas (Mindowe) gründete 1236 das litauische Reich und vernichtete in einer Schlacht bei Siauliai (Schaulen) nahezu gänzlich den "Orden der Ritterschaft Christi" (Schwertritterorden). Im 12. und 13. Jh. hatten die Deutschen (Händler, Missionare, Ritter, Adlige etc.) damit begonnen, den östlichen Ostseeraum zu besiedeln. Der Deutsche Orden[2] wurde zunehmend mächtiger. 1250 schloß Fürst Mindaugas ein Bündnis mit dem Orden und ließ sich taufen. Der Deutsche Orden gab sich jedoch nicht zufrieden.

Daraufhin besiegte das litauische Herr 1260 in einer Schlacht bei Durben in West-Litauen (heute Lettland) den Deutschen Orden. Fürst Mindaugas kündigte das Bündnis auf, und die deutsche Herrschaft über Litauen war nach nur wenigen Jahren beendet. Ein knappes Jahrhundert nach ihrem Beginn hatte die Missionierung der Balten die Dreiteilung des baltischen Territoriums zur Folge. Im Süden herrschten litauische Fürsten, in der Mitte (Livland, das jetzige Vidzeme, vgl. Bukss, 1964, 17) die Deutschen, und im Norden regierten die Dänen. Als einziges baltisches Volk konnten die Litauer nicht nur ihre Selbständigkeit bewahren, sondern auch aktive Machtpolitik betreiben. (Ludwig, 1991, 33-39)

Nach dem Tod des Fürsten Mindaugas (1263) und vorübergehender Dezentralisierung des Reiches schufen die Brüder Witen (lit. Vytenis) und Gedimin (lit. Gediminas) ein neues litauisches Großreich.(Hellmann, 1966, 18f.) Auf diese Zeit geht die Gründung der litauischen Hauptstadt Vilnius (1322) durch Gediminas zurück.(Hurwicz, 1927, 63) Im 14. Jh. schlug Gediminas Sohn Olgerd (lit. Algirdas) die Tataren zurück und konsolidierte mit seinem Bruder Kynstute (lit. Keistutis) die Macht der litauischen Fürsten. Ende des 14. Jahrhunderts heirateten Algirdas Sohn Jagiello (lit. Jogaila) und die polnische Königin Hedwig (poln. Jadwiga). Voraussetzung für die Heirat bzw. Gründung des polnisch-litauischen Doppelreiches im Jahre 1385 war Jogailas Verpflichtung, das römische Christentum anzunehmen und sein Volk taufen zu lassen.(Hellmann, 1966, 25, 27, 35ff.)

Wenige Jahre später drang der Deutsche Orden (Teutonischer Ritterorden, vgl. Bukss, 1964, 19) erneut ins Baltikum ein. Er wurde jedoch 1410 durch das litauische Heer geschlagen. Schemaiten fiel endgültig an Litauen. Der Ausgang dieser Schlacht war im 19. Jahrhundert für die nationale Bewegung in Litauen sehr wichtig. Für sie wurde er zum Symbol der Befreiung von einem übermächtigen Gegner.(Ludwig, 1991, 39f.)

Das litauische Großfürstentum reichte auf dem Höhepunkt seiner Macht unter Vytautas im 14. und 15. Jh. von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer.(Bienhold, 1976, 10) Nach der Lubliner Union von 1569 mit Polen begann eine Epoche der unaufhaltsamen Polonisierung Litauens. Immer mehr polnische Einwanderer kamen in die ehemals litauischen Provinzen. Polnische Geistliche brachten nicht nur ihre Religion, sondern auch polnischen staatlichen und kulturellen Einfluß. Die litauischen Adligen erhielten alle Vorrechte des polnischen Adels.(Hurwicz, 1927, 64) Währenddessen verarmten viele Bauern und büßten ihre Freizügigkeit ein. Die feudalen Strukturen, die für Adlige aus anderen Teilen Osteuropas sehr attraktiv waren, führten teilweise zur freiwilligen Einverleibung neuer Gebiete in das polnisch-litauische Doppelreich. Zirka ein Jahrhundert lang war das Doppelreich die dominierende Macht in Osteuropa.

Die landbesitzende und einflußreiche Kirche hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit der Reformation zu kämpfen. Die radikal kalvinistischen Strömungen forderten eine Abschaffung der Leibeigenschaft. Dies mißfiel dem Adel, der sich wieder Rom zuwandte. Im Gegenzug der Reformation konnten die Jesuiten, die den Katholizismus volksnah in der Landessprache verkündeten, den alten Glauben bewahren.(Ludwig, 1991, 40f.)

Mitte des 16. Jahrhunderts zerfiel aus verschiedenen Gründen der deutsche Ordensstaat in Livland, dessen Territorium von der litauischen Grenze bis zum finnischen Meerbusen reichte, das katholische Erzbistum Riga und die Hanse. Der Untergang Livlands wurde durch den Livländischen Krieg beendet (1558-1595). Er hatte schwere Verwüstungen, die Intervention fremder Mächte, Krankheit, Hungersnöte und wechselnde Herrscher zur Folge. Das größte Gebiet erwarben die Polen mit dem Herzogtum Kurland, jedoch mußten sie schon bald einen großen Teil abgeben und nur Lettgallen im Südosten verblieb bei Polen.(Ludwig, 1991, 42-45)

Im Zuge des Großen Nordischen Krieges (1700-1721), in den alle Ostseestaaten verwickelt waren, fiel das Baltikum großenteils unter russische Herrschaft (seit 1709). 1772, 1793, 1795 wurde das polnisch-litauische Doppelreich dreimal geteilt. Bei der dritten Teilung fiel der größte Teil Litauens an Rußland.(Bartusevicius, Th., 1994, 58) Während die "deutschen Ostseeprovinzen" (Ostseijskije provincii, vgl. Bukss, 1964, 9) des Russischen Reiches (d.h. Estland, Livland, Kurland) enger zusammenwuchsen, wurde Litauen vollkommen zersplittert; das südwestliche Litauen, das Suwalki-Gebiet, fiel nicht an Rußland, sondern an Preußen, welches es 1807 an Polen abtreten mußte. Das enge Bündnis mit Polen hatte im 18. Jh. den Zerfall der litauischen Staatlichkeit und den Niedergang der Macht Litauens zur Folge.(v. Pistohlkors, 1991, 12f. / v. Rauch, 1970, 25f.)

[1] Prußen, Altpreußen, in mittelalterlichen Quellen heißen sie auch "Pruzzen", balt. Volksstämme zwischen unterer Weichsel und Memel.( Brockhaus, 1992, Bd. 17, 578)

[2] Der Deutsche Orden wurde 1190 von Kaufleuten während des 3. Kreuzzuges nach Palästina gegründet. Die Ritter des Schwertritterordens, die die Schlacht bei Siauliai überlebt hatten, schlossen sich dem Deutschen Orden an, als sich dieser nach dem unrühmlichen Ende des Kreuzzuges von 1192 mit dem Verlust Jerusalems in Richtung Osten orientierte. (Ludwig, 1991 , 38)